Ich beobachte schon länger, dass Schüler:innen, wenn man ihnen eine Frage stellt, auf der Stelle und ohne wirklich nachzudenken, etwas antworten. Oft ist die Antwort falsch, die:der Schüler:in bemerkt das auch und verbessert sich schnell. Nicht selten ist auch die zweite Antwort falsch und so beginnt ein Ratespiel, bei dem die Unsicherheit sichtbar größer wird.
Dieses Verhalten weckt den Eindruck, dass er:sie die richtige Antwort nicht kennt und deshalb rät.
In manchen Fällen mag das auch zutreffen, aber meistens entsteht eine solche Situation, weil die Annahme besteht, dass auf eine gestellte Frage umgehend eine Antwort erfolgen muss.
Zur Zeit ist es leider so, dass der Lernstoff, ohne viel Zeit zum Üben, vermittelt wird. Das setzt sowohl Lehrer:innen, als auch Schüler:innen unter Druck und könnte ein Grund für das oben beschriebene Verhalten sein. Auch ich muss in meinen Trainingsstunden darauf achten, dass ein Thema ausführlich und intensiv behandelt wird und es bleibt gefühlt viel weniger Zeit dazu als früher.
Grundsätzlich muss man zweit Arten von Antworten unterscheiden.
- Die Antworten, die auswendig gelernt werden müssen, wie zum Beispiel Vokabeln, die Ergebnisse des kleinen 1×1 oder Jahreszahlen aus dem Geschichtsunterricht. Während des Lernens ist bei diesen Inhalten natürlich wichtig zu überlegen, sich Eselsbrücken zu bauen und alles sooft zu wiederholen, bis man die Antworten sofort geben kann. Hat man die Antworten aber einmal im Langzeitgedächtnis gespeichert, können sie jederzeit und ohne lange zu überlegen, abgerufen werden. Das spart enorm viel Zeit, denn wenn man zum Beispiel in einer Klassenarbeit alle Malaufgaben erst berechnen muss, wird man wahrscheinlich nicht rechtzeitig mit der Arbeit fertig. Und wenn man einen englischen Text schreiben soll, ist es wirklich gut, wenn man nicht über jede zweite Vokabel erst einige Minuten nachdenken muss 😉 .
- Bei komplexeren Fragen, Fragen zur eigenen Meinung oder Stellungnahmen zu bestimmten Themen, ist es wichtig erst einmal zu überlegen, bevor man antwortet. Was denke ich darüber? Welche Tipps und Tricks kenne ich, um an die Antwort bzw. das Ergebnis zu kommen? Welches Hintergrundwissen habe ich? Man darf auch, zum Beispiel im Unterricht, um etwas Bedenkzeit bitten. „Ich würde gerne mal kurz darüber nachdenken.“ oder „Ich muss kurz überlegen.“ Das hinterlässt einen viel besseren Eindruck, als schnell eine unüberlegte und wahrscheinlich auch falsche Antwort zu geben.
Um aber, nach mehr oder weniger langem Nachdenken, eine gute und richtige Antwort zu geben, ist es wichtig, dem Unterricht aufmerksam zu folgen und sich nicht ablenken zu lassen. Nur wer dem Unterricht aktiv folgt, kann sich auf Nachfrage und nach kurzem Überlegen, auch produktiv einbringen.
Das gilt natürlich auch für schriftliche Arbeiten. Schreibt man ohne zu überlegen etwas auf, nur um dann festzustellen, dass es falsch ist, verbringt man viel Zeit mit dem Kontrollieren, Durchstreichen, Radieren oder Wegkillern.
Man kann also festhalten, dass das Nachdenken über eine Frage dringend und absolut erlaubt ist.